DIE MENSCHEN IN GUATEMALA

Von Verwandten, die zufällig letztes Jahr auch nach Guatemala gereist sind, haben wir bereits ein paar Dinge mit auf den Weg bekommen, die uns zur Vorsicht anhielten. Vorsicht davor auf eigene Faust Guatemala zu bereisen. Vorsicht vor Touristenmagneten, da es dort häufiger zu Übergriffen durch einheimische Banden käme. Gleichzeitig wurde uns jedoch auch von der Herzlich- und Freundlichkeit der Menschen und der Schönheit und Vielfältigkeit der Natur in Guatemala berichtet.
Die ersten Warnungen haben wir ernst genommen, jedoch wussten wir, dass wir uns in der ersten Woche erst einmal durch Isabels Begleitung auf sicherem Terrain befinden werden. Ein unsicheres Gefühl sollte uns jedoch die gesamte Reise hinweg begleiten.
Die Herzlich- und Freundlichkeit können wir aber auf jeden Fall bestätigen. Wir haben keine schlechten Erfahrungen mit Guatemalteken gemacht. Sebbo hatte einmal sogar seine Brusttasche mit Geldbeutel und Reisepass in einem Café in Antigua liegen gelassen und alles wieder wohlbehalten zurückbekommen.
Diese Reise hat uns mutiger gemacht, sodass wir nächstes Mal auf jeden Fall mehr auf eigene Faust, aber trotzdem nicht unbedarft, unternehmen werden.
Auch das Leben auf der Farm war für uns ganz neu und ungewohnt. Die Nächte voller Hundegebell und lautem Zikaden-Zirpen, das mit Waffen bewachte Beneficio und die Abgeschiedenheit am Tecuamburro hat anfänglich schon ein bisschen an den Nerven gezerrt 😉

ARME UND EINFACHE LEBENSVERHÄLTNISSE

Viele Menschen in Guatemala leben sehr einfach und arm. In den Dörfern, die in der Nähe der Fincas Herrarte liegen, kochen die Frauen auf Holzfeuer und die meisten Kinder gehen nur in die Grundschule, da weiterführende Schulen meist sehr weit weg liegen. Jedes Haus wird mindestens von einem Hund bewacht, die oft unterernährt sind, da sie vorwiegend Mais-Tortillas zu fressen bekommen. Auch die Ernährung der Guatemalteken in dieser Bevölkerungsschicht ist eher prekär und auf Mais und Bohnen basierend, die selbst angebaut, geerntet und aufbereitet werden. 
Trotz der ärmlichen Verhältnisse wirken die Menschen zufriedener und ausgeglichener.
Wir empfanden das Leben auf der Farm, das sich mehr nach Sonnen- Auf- und Untergang richtet, als nach der Uhr, als sehr beruhigend.

V.A. FRAUEN SIND VON ARMUT BETROFFEN

Von außen betrachtet, könnte man vieles in den Leben der Guatemalteken auf dem Land (sicherlich auch von vielen in der Stadt) verbessern, doch ist das unsere Sicht. Das Kochen auf Feuer z.B. eine alte Tradition, die gerne fortgeführt wird. Diese Kultur führt jedoch dazu, dass nur sehr wenige Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die meisten Frauen sind den ganzen Tag mit Holzsammeln, Feuermachen und Kochen beschäftigt. Auf den Fincas Herrarte sind Isabel und die Sekretärin die einzigen Frauen, die wir kennengelernt haben. Die Arbeit auf einer Kaffeefarm, insbesondere die Arbeit auf der Washing Station, ist körperlich sehr anstrengend und häufig mit schwerem Gewichtheben verbunden.
Bei den Saisonarbeitern, die vorwiegend bei der Kaffeekirschen-Ernte eingesetzt werden, sind jedoch auch häufig Frauen dabei.
Wir haben selbst einen 4-stündigen Vormittag Catuai gepflückt.
Da wir keinen Zeitdruck hatten (die PflückerInnen werden pro Pfund gepflückte Kirschen bezahlt, bekommen also mehr Geld, je mehr sie pflücken), empfanden wir das Pflücken zwar auch anstrengend, aber mehr meditativ. Angenehmer als das Wenden von geschältem Kaffee, der auf den Patios zum Trocknen ausgelegt wird. Die Patios liegen nämlich so, dass möglich viel Sonne auf sie scheint, damit der Kaffee gleichmäßig und schnell trocknen kann.

SO LEBT WALTER – EIN JUNGER ARBEITER im BENEFICIO EL RETIRO

Auf den jungen Walter kann Isabel sich verlassen. Sie weiß, dass sie sich auf ihn verlassen kann. Dies war auch der Grund, warum sie ihn gefragt hat, ob er unser Beneficio Guide während unseres Aufenthaltes sein könnte.
Walter lebt mit seiner Mutter in einem Haus direkt neben dem Gelände des Beneficios El Retiro. Das Haus gehört Isabels Familie. Alle Häuser auf dem Gelände der Farmen, sind im Besitz der Familie Herrarte. Sie überlassen den Menschen, die auf den Farmen leben und arbeiten, Häuser und Land, ohne, dass sie Miete bezahlen müssen. Die Instandhaltung der Gebäude ist dann jedoch auch Aufgabe der Bewohner, sodass die Häuser oft eher heruntergekommen aussehen.
Walter kann Lesen und Schreiben, sodass wir uns trotz einiger Missverständnisse mit dem Google Übersetzer unterhalten konnten 😉

Der Alltag von Walter beginnt während der Kaffeekirschen-Ernte sobald es hell genug ist (meist 6:30 Uhr). Dann wird der gewaschene Kaffee vom Vortag auf die Patios ausgetragen, der bereits ausgetragene Kaffee gewendet und ausreichend getrockneter Kaffee in Säcke gepackt und ins Lager transportiert. Dann auf einen LKW verladen, der den Parchment Kaffee zur Dry Mill fährt. Walter ist der einzige der Beneficio Arbeiter, der sich für die Fermentations-Experimente von Isabel interessiert und ihr gerne dabei hilft. Welche Arbeiten Walter verrichtet, wenn keine Ernte ist, haben wir noch nicht erfahren. Wir haben sofort Vertrauen in diesen jungen Guatemalteken gefasst, der uns immer sehr höflich, respektvoll und freundlich begegnet ist.

MANGEL AN BILDUNG UND ARBEITSKRÄFTEN

Ein weiteres Problem für das Leben und Arbeiten auf Kaffeefarmen ist, dass diejenigen, die die Basis-Schulbildung genießen durften (vom 7. bis zum 14. Lebensjahr) und ein wenig Englisch beherrschen, meist in die USA zum Arbeiten migrieren und dann ihren Verwandten in Guatemala einen Teil ihres Gehalts zusenden. Dies führt dazu, dass manche nicht mehr arbeiten wollen, da ihnen das zugesendete Geld zum Leben reicht. Es gibt immer weniger Menschen, die zum Kaffeepflücken kommen oder sie kommen nur sehr unzuverlässig. Die Farm-Besitzer und Manager haben dann keine Planungssicherheit und wenn die Kaffeekirschen zu lange am Baum hängen, leidet die Qualität, es gibt einen höheren Ernteverlust und es entstehen eher Krankheiten an der Kaffeepflanze, da sie nicht ganz abgepflückt werden.

GROSSE SCHERE ZWISCHEN ARM UND REICH

Wenn man so wie wir in Guatemala unterwegs ist, fällt einem schnell der starke Kontrast zwischen dem Leben der wohlhabenden und dem Leben der ärmeren guatemaltekischen Bevölkerung auf. Entweder du bist reich und kannst deinen Kindern eine private, elitäre Schulbildung bezahlen oder du bist arm und lebst von der Hand in den Mund. Viel dazwischen gibt es in Guatemala nicht. Dieser Kontrast lässt sich auch auf die Arbeit als Kaffeefarmer und der Arbeit als Kaffeeröster übertragen und wir haben das Gefühl, dass es weder in Guatemala Bestrebungen, noch große Bestrebungen in der Kaffeebranche gibt, diesen Kontrast abzumildern.

GUATEMALTEKISCHE MENTALITÄT IST ENTSPANNTER

Ein Spruch, den wir auch oft von Isabel zu hören bekommen haben, verdeutlicht die ruhige und entspannte Art der Guatemalteken „Das ist etwas, was wir morgen erledigen oder an das wir Morgen erst denken“. Der deutsche Spruch „Morgen Morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute“, zeigt wie gegenteilig die Mentalitäten diesbezüglich sind.
Guatemalteken sind nicht faul! Sie haben nur erkannt, dass es gesünder ist erst über etwas nachzudenken, wenn man auch wirklich etwas unternehmen kann. Unnötige Grübelei ist Zeitverschwendung.
Wir haben uns auf jeden Fall vorgenommen uns diesbezüglich der guatemaltekischen Einstellung anzunähern 😉

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